Wie Vroni beim ersten Antreten gleich ihre erste Aquila Regatta gewann … 4


Gleich vorweg eine Warnung, das ist kein gewöhnlicher Regattabericht, sondern ein emotionaler Erlebnisbericht eines Vaters, der mit seiner Tochter gemeinsam die erste Aquila Regatta bestritt. Und ja, da gibt Einiges zu erzählen, daher, dieser Bericht wird ein sehr langer werden.

Am Beginn muss ich das Rad der Zeit etwas zurückdrehen, in das Frühjahr 2020, als wir unsere ersten Aquilaregatten absagen mussten und uns entschlossen, unsere ÖM in Seeham auf das erste Oktoberwochenende zu verschieben. Als dies passierte, teilte mir Maria bereits mit, dass sie sich nicht sicher ist, ob sie zum Schulbeginn gleich jedes Wochenende unterwegs wird sein können, noch dazu in Zeiten wie Corona. Bereits damals hat sich unser „Sandwichkind“ (die Mittlere von drei) Vroni bereit erklärt, falls den die Mama ausfallen sollte, wäre sie „schon bereit, mit zu fahren“, noch dazu, nachdem es drei Jahre zuvor am Mattsee zu keiner Wettfahrt gereicht hatte und sich Vroni bereits damals freute, ihr Regattadebüt zu geben.

Maria hat die ersten beiden Regattawochenende jedenfalls gut gemeistert und wäre eventuell auch doch noch Seeham mitgefahren, wenn uns/ihr nicht wieder der Rücken dazwischengekommen wäre und nach dem Turnen am Dienstag sich wieder Schmerzen bemerkbar machten, die eher nicht zu einer Teilnahme motivieren sollten. Also, im Vorfeld daher wieder die Frage an meine Vroni: „Würdest wieder mitfahren?“, was mit der positiven, „euphorischen“ Antwort: „Ja, schon“ beantwortet wurde, mit dem Zusatz jedoch: „Also, da müssen wir schon ein bisschen früher anreisen, denn, an das mit dem Spinnaker kann ich mich jetzt nicht mehr genau erinnern und Trapez kann ich auch nicht, war ja nur einmal kurz an unserem Heimatrevier am Waldschachersee im Trapez und ohne Training geht da sowieso nichts, usw.“

Jetzt muss ich aber auch noch die wichtigsten Eigenschaften unserer Tochter erwähnen, bevor ich wirklich loslege:

  • Als erstes, Vroni hatte jetzt am 7. Oktober ihren fünfzehnten Geburtstag, ist also im Sternzeichen Waage. Ich selbst halte ja von Sternzeichen nicht so viel, aber es stimmt schon, unsere Tochter liebt das Ausgeglichene bzw. die Balance, ist stets bemüht, diese herzustellen, scheut aber auch nicht einen kurzen Konflikt, wenn es den unbedingt sein muss.
  • Vroni ist ehrgeizig, um was es auch immer geht. Sei es im Sport, welchen sie in vielerlei Form ausübt wie auch in diversen Schulfächern. Sie fühlt sich gar nicht wohl, etwas nicht zu können, da wird schon „hart daran gearbeitet“, dass es dann halbwegs funktioniert.
  • „Konsequent arbeiten und wiederholen“, bis es sitzt, da wird auch manchmal, wenn es sein muss, nicht nach dem „Warum?“ gefragt, Hauptsache es klappt bzw. eine Schularbeit wird positiv erledigt.

Während der Woche vor der Regatta begann einmal die „Ankleideprobe“. Zum Glück hat sich ja in den 30 Jahren Seglerei schon einiges angesammelt, erfreulich ist, dass die ersten Anproben von Mama’s Zeugs so gar nicht schlecht sitzt, daher, wir entschließen uns, dass Vroni gleich mit Mamas Neopren kurz oder lang antreten wird und das Trapez wurde ja am Waldschachersee schon einmal probiert und sollte auch funktionieren.

Freitag abend: Vroni und Claudia haben am Abend noch ihre Balletteinheit, aus Zeitgründen hole ich meine Tochter dann gleich um 19:00 Uhr direkt nach dem Ballett ab und los geht die dreistündige Fahrt nach Seeham, diesmal etwa schneller, da wir das Boot nach der SP am Mattsee gleich nach Seeham gestellt hatten.

Ankunft kurz vor 22:00 Uhr, Fritz ist so freundlich und öffnet uns noch den Schranken beim Club und wir können unser Wohnmobil gut am Clubgelände parken. Nach drei Stunden Fahrt ist man dann noch nicht müde, daher, noch eine Stunde Fernsehen bis elf ist noch drinnen, bis wir uns ins Bett begeben.

Am nächste Morgen das „windige“ Erwachen, der angesagte Fön hat nun auch das Salzburger Seenland erreicht und von ungewohnter Richtung pfeift der Wind über den See und lässt vor dem Clubgelände schwarze Striche, gepaart mit höheren Schaumkämmen, erkennen.

Bereits den ganzen Vormittag bearbeitet mich meine Tochter: „Wir müssen noch trainieren, wir müssen auf jeden Fall früher rausfahren und ich muss mir das noch alles anschauen, ich habe NULL Plan, usw.“-

Papa erklärt an Land der Tochter das Spirosystem des Spinnakers und das Setzen und Bergen sowie Schiften: “Wenn wir um die Boje fahren sage ich dir, auf welcher Seite du den Spinnakerbaum setzen musst, es ist immer die andere Seite, wo der Großbaum ist. Du löst auf der zu setzenden Seite die Spinnakerschot aus der Klemme, hakst diese vorne im Spibaum ein und ziehst an der Leine, die den Spinnakerbaum durchsetzt. Danach bzw. währenddessen ziehe ich den Spinnaker hoch“.

„Wo muss ich dann ziehen, wie geht das dann?“ sind die weiteren, verständlichen Fragen. Auf Grund des starken Windes können wir an Land leider nicht üben, ich versuche es mit Theorie: „Siehst du am Masttop den Stander? Dieser zeigt die Windrichtung an und die Richtung des Windes sollte exakt im rechten Winkel von hinten oder seitlich in den Spinnaker zeigen.“ Mehr fällt mir dazu trotz einiger Versuche nicht ein, meine Tochter ist mit der Erklärung nicht zufrieden, ich vertröste sie darauf, dass wir ja noch sicher zum Trainieren vorher Zeit haben werden.

Und so kommt es dann auch, kurz nach Mittag schläft der Wind beinahe vollständig ein.

Spinnaker: Papa erklärt nochmals das Spirosystem des Spinnakers und wir setzen erstmals den Spinnaker. Der Wind könnte nicht besser sein, kommt mit 2-3 Beaufort und nach dem Setzen versuche ich Vroni zu erläutern, wie der Spinnaker zu trimmen ist: „Nach dem Setzen werde ich dir kurz helfen, dass der Spinnaker steht, danach machst du das am besten wie folgt:  Erstens: Du hältst jene Schot, die auf der Seite des Großbaums ist in der Hand und lässt diese immer soweit nach bis der Spinnaker beginnt einzufallen, ich nenne das „Ohrwaschel“. Sobald ein „Ohrwaschel“ kommt, ziehst du die Schot an und nun kommt das Wichtigste, du lässt es nicht dabei, sondern sobald das „Ohrwaschel“ weg ist, lässt du die Schot wieder nach und so geht es die ganze Zeit, Nachlassen (fieren) und Anziehen (Dicht nehmen)“. Meine Tochter versucht sogleich das Gehörte in die Tat umzusetzen und nach kurzer Zeit klappt das dann schon recht gut. Einige Winddreher sorgen dafür, mit dem Spinnaker Vortrag fortzufahren: „Wenn du die Schot so viel anziehen musst, dass der Spinnaker vorne am Vortag ansteht, dann musst du auf der anderen Seite, wo du sitzt, die Schot (richtig: den Achterholer) aus der Klemme lösen und ein wenig nachlassen. Dann kannst du diesen wieder in die Klemme geben und du machst wieder mit der Schot allein weiter. Und umgekehrt, wenn der Spinnaker nach dem Fieren der Schoten sehr weit draußen ist, zieht man am Achterholer ein wenig an, aber, das sage ich dir dann schon …“.

Auf diese Art und Weise können wir zumindest 2-3 Up and Down Segeln. Plötzlich dreht der Wind jedoch von Süd auf West und einige stärkere Böen fallen ein. Wir sind gerade am Vorwindkurs, bergen den Spinnaker und gehen auf Kreuzkurs. Wir wettern die ersten Böen ab und Vroni macht die erste Bekanntschaft mit dem Wasser. Einige heftige Böen sind von Drehern begleitet und so landet ein Vorschoter schon einmal im Wasser. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass mein Tochter respektlos im Trapez bleibt und nach einer Wasserlandung auch nicht vorne herumtaumelt sondern sogleich wieder stabil an der Kante steht. Na, das klappt ja schon wirklich gut, denke ich mir insgeheim.

Jedoch sehe ich am Ufer bereits dunkle Striche auftauchen und entschließe mich, das Vorsegel nun doch einzurollen. Schließlich möchte ich Vroni vor ihrer ersten Wettfahrt das Schicksal ihrer Schwester Claudia ersparen: Bei der SP Regatta Traunsee 2015 vor der ersten Wettfahrt löste sich bei mir der Ausreitgurt und ich ging über Bord. An der Pinne und Schot festhaltend konnte ich mich wieder ins Boot ziehen, leider zu spät und wir kenterten. Dank des raschen Einsatzes von Martin Kalhamer junior konnten wir das Schiff dann jedoch rasch wieder aufstellen, Claudia an Land trocknen und sogar wieder zurücksegeln und zum 1. Start rechtzeitig dabei sein.

Diesen Beginn konnte ich Vroni ersparen, stark einfallende Westwindböen wettern wir nur mit Großsegel ab und vom SSC kommen uns auch schon zwei Motorboote entgegen, die angesichts der starken Böen sofort zur Hilfe ausrückten. Vielen Dank dafür!

Wir brauchen die Hilfe aber nicht und können nur mit Großsegel am Steg beim SSC anlegen. Erstes Training erfolgreich erledigt, jedoch weiterhin keine Wettfahrt, da der Wind nun richtig bockig aus westlicher Richtung bläst!

Nach einiger Zeit meint Vroni, dass das Training noch zu kurz gewesen sei und nachdem der Wind etwas nachgelassen hatte, denke ich mir, mit Vroni ein wenig mit Halbwind dahin zu „zischen“, könnte ihr eigentlich auch Spaß machen. Gesagt, getan, zur Verwunderung einiger legen wir auch dann schon wieder ab. In Ufernähe ist der Wind gar nicht so bockig, etwas weiter draußen fallen dann doch einige Böen ein und wir „brettern“ mit Halbwind dahin. Vroni steht breitbeinig und schon sicher im Trapez und das Wasser spritzt über sie bis zu mir zurück: „Papa, jetzt bin ich froh, dass ich den langen Neopren angezogen habe, da wird man ja richtig naß da vorne“ lautend der folgerichtige Kommentar.

Wenig später lässt der Wind nach und wir können einige Up and Down Kurse segeln und setzen  auch wieder den Spinnaker. Wir üben nun auch noch das Schiften: „Ich gebe dir früh genug Bescheid, wenn wir Schiften“, beginne ich und fahre fort: „Dann gehst du nach vorne und lässt den Spinnakerbaum herein und löst die Schot. Nun gebe ich den Großbaum auf die andere Seite, Achtung auf dem Kopf, da musst du unten durch“ erkläre ich weiter: „,dann machst du einen Schritt zur anderen Seite, hakst die Schot auf der neuen Seite ein und setzt wieder den Spinnakerbaum. Ich fahre inzwischen den Spinnaker und gebe dir dann die Spinnakerschot, wenn du fertig bist.“ Auch das Üben wir ein paar Mal und es funktioniert bereits recht gut.

Inzwischen kommt uns auch die Wettfahrtleitung entgegen und die anderen Boote laufen aus, der Wind hat nun soweit nachgelassen, dass die 1. Wettfahrt gestartet werden kann.

Der Wind ist typisch für die Richtung aus West sehr drehend und scheint diesmal tendenziell teilweise aus Nordwest zu kommen. Aus diesem Grund segeln wir auch noch vor der Wettfahrt eine kleine Trainingskreuz nach rechts, Vroni natürlich im Trapez und ohne viel Probleme.

Der Start zu Wettfahrt verläuft völlig anders als erwartet, denn unmittelbar beim Start lässt der Wind plötzlich stark nach. Wir starten beim Startschiff sehr gut und machen bei wenig Wind gute Fahrt, während etwas weiter hinter uns einige Boote wenden und nach rechts fahren. Der Wind nimmt dort weiter hinten und rechts gleich stark zu, während wir in der Mitte „verhungern“. So finden wir uns an neunter Stelle an der ersten Luvtonne wieder, das erste Spinnakermanöver beginnt. Kaum steht der Spinnaker kommt uns plötzlich Fritz mit Spinnaker entgegen (???). Wir können im letzten Moment ausweichen, Fritz geht es mit Marie aber weniger gut, sie haben die Vorlegertonne von der falschen Seite gerundet und müssen nochmals zurück. Unsere erste Vorwind funktioniert trotz starker Dreher sehr gut. Dann kommt unser erstes Schiftmanöver und wie soll es anders sein: Der Spinnakerbaum verhakt sich beim Hereinholen und Vroni wirft mir einen verzweifelten Blick zu: „Das gibt’s ja nicht, beim Training hat es ja geklappt und jetzt hängt es da und dort“. Ich erkläre meiner Tochter: „Das ist leider normal, in den Wettfahrten gibt es immer wieder Probleme, daran muss man sich gewöhnen und darf nicht verzweifeln“. Ich bitte Vroni ans Steuer und eile nach vorne um das Problem zu lösen. Nach einiger Zeit habe ich die Kugel des Spibaums aus den Fallen gelöst und wir können schiften …

Nach dem Runden der Boje fahren wir gleich nach rechts, bei nachlassendem Wind können wir uns mit einigen Drehern noch nach vorne arbeiten und runden die Luvtonne sogar als viertes Boot. Das Spinnakermanöver klappt gut und der Wind frischt von hinten auf. Ich blicke gebannt nach hinten und beobachte die aufkommenden Böen und stelle mit Blick nach vorne bewundert fest, wie Vronis Blick nicht das obere Spinnakerende verlässt und ständig das „Ohrwaschel“ zittert. Mir entfährt nicht das erste und letzte Mal an diesem Wochenende: „Super Vroni, perfekt, sehr gut …“.

Wir halten unseren vierten Platz und beginnen mit dem Bergemanöver (zum Glück) etwas früher, denn, natürlich hängt schon wieder der Spinnakerbaum („Das gibt’s ja nicht!“).  Nachdem bereits Ziel angezeigt wird, lassen wir den Spinnakerbaum hängen und runden die Böe. Mit einem Knall befreit sich dann auch der Baum, „gesund“ ist das auf Dauer nicht, denke ich mir.

Wir beenden unsere erste Wettfahrt als Vierte und ich überschütte Vroni mit Lobesworten. Vroni freut sich, aber meint auch: „Du, Papa, das war aber jetzt nicht mehr so lustig, der Wind war ja schon ziemlich schwach und gehangen ist auch immer wieder was  ..“. Ich spiele die Themen herunter und meine nur, dass es bei der nächsten Wettfahrt sicher besser werden wird.

Leider drehte der Wind und der nächste Startversuch musste abgebrochen werden. Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit lässt uns die Wettfahrtleitung gleich hineinsegeln und bei auffrischenden Winden kreuzen wir zum Hafen. Der Wind legte wieder zur und ich stelle fest, dass unser Training schon Früchte trug: Problemlos kommen wir durch die Böen und erreichen als erste den Hafen des SSC.

Am Abend genießen wir ein gemütliches Zusammensein beim benachbarten Entenwirt und können uns mit den Wettfahrtsiegern Marcus und Bärbel Wörz gemeinsam über eine sehr gute erste Wettfahrt freuen.

Inzwischen hatte es vollständig aufgeklart und die Wettfahrtleitung setzte den Start zur 2. Wettfahrt um 08:00 Uhr an, in der Hoffnung auf den Morgensüdwind.

Am frühen Morgen werde ich geweckt, nicht jedoch vom Zwitschern der Vögel, sondern von heftigen Westwindböen, die offensichtlich durch einen Frontausläufer ausgelöst wurden.

Bis 07:30 beruhigt sich der Wind und dreht auf den erhofften Südwind und bei wolkenlosem Himmel können wir zwei weitere Wettfahrten bei Südwind segeln.

Vroni meint vor der ersten Wettfahrt am Sonntag: „Also, eine Wettfahrt unter den ersten Drei wäre schon geil …“, worauf ich antworte: „Naja, soweit waren wir gestern gar nicht entfernt und wenn alles gut läuft, könnten wir es schaffen …“.

Und wie es dann gelaufen ist, dafür darf und muss ich das Wort „sensationell“ schreiben, denn, was nun folgen würde, war wirklich außergewöhnlich:

Bei der ersten Wettfahrt am Sonntag entscheiden wir uns beim Start für das Pinend, da der Autor dieser Zeilen vor dem Start die linke Seite für bevorzugt mit mehr frischem Wind hielt.  Dies sollte sich dann auch bewahrheiten und bei relativ konstanten 2 Beaufort („Papa, das ist ziemlich langweilig“) runden wir als erste die Luvtonne. Das Spinnakermanöver nach der Vorlegertonne klappt ebenfalls wunderbar und wir absolvieren ohne Probleme den ersten Vorwindkurs. Auch auf der darauffolgenden Runde gelingt uns ein guter Kreuzkurs, wir wechseln rechtzeitig von links auf rechts und erwischen die Dreher aus westlicher Richtung ebenfalls gut und können die Führung gut behaupten. Auch auf dem Vorwindkurs haben wir keine Probleme („gibt’s den das?“) und wir gewinnen gemeinsam unsere erste Wettfahrt.

Auch bei der zweiten Wettfahrt erscheint die linke Seite bevorzugt, beim Start dreht der Wind sogar so stark nach links, dass gleich eine Wende notwendig ist. Nach der Wende bekommt Vroni die Fock auf der anderen Seite nicht dicht, ich schreie „Fock dichter nehmen!“, Vroni zerrt verzweifelt an der Fockschot und nichts geht …, ich sehe, dass sie mit dem Fuß auf der anderen Fockschot steht und rufe: „ Du stehst auf der Schot!“. Vroni erkennt nun die Situation und schon ist die Fock dicht. „Schei…, Entschuldige Papa, ganz schlecht …“ sagt Vroni zerknirscht, ich sage nur: „Kein Problem, nix passiert …, geht schon“.  Wir sind auf der richtigen Seite und können in Luv tollen Speed und Höhe fahren. Vroni fragt mich ständig: „Passt das Gewicht, soll ich mehr rauf oder runter?“ Ich instruiere sie zeitweise und merke, dass Vroni aber immer mehr selber das Gefühl bekommt, wie es „passt“. Wir runden schon wieder als erste die Luvtonne und können den Vorsprung auch eine weitere Runde halten. Gegen Ende der zweiten Runde lässt der Wind immer mehr nach und mit Böen von hinten kommen uns Horst mit Peter sowie Martin mit Christine immer näher. Der Wind dreht immer mehr nach Ost und wiederum gibt es eine Bahnverkürzung, also nach der Leetonne gleich ins Ziel. Auf Grund der Winddrehung bietet sich das Schiften des Spinnakers mit Zieleinlauf unter Spinnaker an, die beiden Boote hinter uns sind bereits auf Tuchfühlung mit uns. Ich überlege hin und her, ob wir das Riskieren sollten und denke dann, ok, Probieren geht über Studieren und wenn es nicht klappt, sind halt nicht erste, aber wir haben es versucht. Ich bereite Vroni auf das Schiften bei der Leetonne vor, kann etwas ausholen und damit das Manöver etwas verlängern. Vroni geht nach vor und hakt mit einer Selbstverständlichkeit aus, lässt den Spibaum rein, ich schifte den Großbaum, Vroni hakt auf der anderen Seite ein, zwei Züge und Spinnakerbaum ist draußen, als ob das Manöver zickmal schon gemacht wurde. Ich konnte inzwischen mit den Schoten den Spinnaker soweit trimmen, dass dieser schon wieder gut auf der anderen Seite steht, Achterholer einklemmen und schon ging es Richtung Ziel. Mir entkommt wieder: „Vroni, perfekt, super gemacht!“ woraufhin meine Tochter meint: „Du Papa, du lobst mich die ganze Zeit, das nervt auch schon schön langsam …“.

Wir gewinnen unsere zweite Wettfahrt und klatschen ab, sind plötzlich in der Gesamtwertung in Führung.

Der Wind schläft nun komplett ein und wir segeln mit den letzten Böen in den Hafen.

Bei traumhaftem Sonnenschein warten wir lange vergeblich auf Wind, der einsetzenden Wind aus Nord zu Mittag will und will sich nicht richtig durchsetzen. Erst gegen 14:00 Uhr werden die Böen stärker und wir entschließen uns gemeinsam mit der Wettfahrtleitung für einen weiteren Start. Bei immer mehr auffrischendem Wind können wir bei 3-4 Beaufort eine schöne letzte Wettfahrt segeln.

Nach einem ersten Startversuch und einem allgemeinen Rückruf starten wir erneut in Lee und können mit dem ersten Dreher wenden und erfolgreich vor allen anderen Booten auf die rechte Seite segeln. Der Wind frischt weiter auf und Vroni kann konstant im Trapez stehen. Die zahlreichen Striche und kleinen Dreher erfordern meine Aufmerksamkeit, zwischendurch blicke ich auf meine Tochter und staune erneut: Da steht sie im Trapez, Füße eng beieinander und natürlich, die freie Hand ist weit hinter dem Kopf gestreckt!

Auch die Wenden funtionieren nun wie am Schnürchen: Bei „Klar zum Wenden“ ist Vroni in Windeseile aus dem Trapez herinnen und nimmt die Schot aus der Klemme. Nun wende ich und sage „Vorn über“, nun lässt Vroni die Schot los und zieht beim Seitenwechsel auf der anderen Seite an. Nicht immer bekommt sie die Schot auf der anderen Seite gleich dicht, der Wind ist teilweise schon recht stark. Macht nichts, kaum im Trapez zerrt sie mit beiden Händen aus den Beinen heraus an der Schot bis diese dicht ist.

Auf diese Weise spulen wir drei Runden herunter, am Spinnakerkurs klappen auch die Manöver hervorragend. Vroni fragt auf den Vorwindkursen manchmal: „Papa, wie weit noch?“, ich denke mir: „Kannst du da nicht selber schauen?“, ein Blick auf Vroni verrät mir: „Nein, kann sie nicht!“, denn der Blick verlässt den ganzen Vorwindkurs nicht das „Ohrwaschel“, das ständig am Spinnaker hin und her zittert.

Wir haben inzwischen einen großen Vorsprung und ich sinniere vor mich hin: „Das wird uns keiner glauben, dass das die erste Regatta von Vroni war, das gibt es eigentlich nicht, das ist wirklich unglaublich!“

Wir gewinnen auch diese Wettfahrt und damit die Österreichische Meisterschaft mit einem Streicher daher nur mit ersten Plätzen in Wertung!

Dieser elendslange Bericht eines zugegeben beeindruckten und stolzen Papa ist seiner Tochter gewidmet, die auch Dank ihrer anfangs geschilderten Eigenschaften ein hervorragendes Talent als Vorschoter hat, das weiß ich nun.

Und ich weiß auch, was meine Tochter über diesen Bericht sagen wird, wenn dieser veröffentlicht wird: „Papa, das ist nun wirklich peinlich!“.

Liebe Vroni, bitte verzeih mir diesen Bericht, aber ich musste dieses außergewöhnliche Wochenende einfach schriftlich festhalten.

Herzlichen Dank an alle interessierten Leser, die diesen Bericht bis zum Schluss durchgehalten haben und natürlich auch herzlichen Dank an den Seehamer Segelclub für die Gastfreundschaft und erfolgreiche Ausrichtung unserer Österreichischen Meisterschaft 2020.



Liebe Grüße
„Papa“ Raoul

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4 Gedanken zu “Wie Vroni beim ersten Antreten gleich ihre erste Aquila Regatta gewann …

  • Christian Kimmeswenger

    Ich sage mit Hochachtung und Respekt: „Vroni, du bist zum Fürchten 😉 Super Einstand“
    Haben wir eigentlich einen Preis für „Längster Bericht der letzen Jahre“ ?
    Wird Zeit. Köstlich

  • Fritz Wallisch

    Liebe Vroni (lieber Raoul!)
    Diese doch außergewöhnliche Leistung ist ja fast ein wenig unter gegangen, weil man ja die Siege von Papa Raoul gewöhnt ist.
    Ich hatte ja bei dieser Regatta selbst jede Menge Probleme, daher war ich etwas abgelenkt.
    Jedenfalls Vroni, auch von mir die allerhöchste Hochachtung zu dieser tollen Leistung. Da kann man sich ja richtig fürchten, wenn Mama wieder einmal ausfällt!!!
    Liebe Grüße an euch alle
    Fritz
    PS: Hans hat recht, beim genauen Lesen kann man allerhand lernen!!!

  • Wilhelm Klebel

    Danke für diesen wundervollen Bericht, ich habe ihn auch schon meinen VorschoterInnen als Lektüre empfohlen und auch bei der Wiener Landesmeisterschaft davon profitiert. Ihr seid wirklich verdiente Sieger!
    Willi